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05 April 2007

Warum eine gute Stichprobe nicht repräsentativ ist

Schlimmer als Nichtwissen ist bekanntlich Halbwissen. Das erkennt man immer dann, wenn Medien oder Politiker ein Thema aufgreifen, von dem man selbst etwas versteht. Wer immer einen Kurs in Volkswirtschaft besucht hat, scheint von den Keynesschen Multiplikatoren derart angetan, dass er fortan durch den Staat, die Konsumenten oder wen auch immer auf Teufel komm raus die Wirtschaft „anzukurbeln“ will. Würden die Leute den gesunden Menschenverstand gebrauchen statt angelerntes Halbwissen, sie sähen sofort ein, dass das „Ankurbeln“ Energie braucht und es bekanntlich kein perpetuum mobile gibt.

Ähnlich ist es um die Repräsentativität von Stichproben bestellt. Irgendwie scheint man in der Schule mal mitbekommen zu haben, dass Umfragen repräsentativ sein sollten – und diese Weisheit wird dann lebenslang nachgebetet. Wie der vulgärkeynesianische Multiplikator ist Repräsentativität ein Konzept, das seit Jahrzehnten nicht mehr dem Stand der Wissenschaft entspricht. Wenn man bedenkt, wie schnell Klimatologen ihre – keineswegs von allen Wissenschaftern geteilten – Theorien in die Medien bringen, so wird man direkt neidisch. Dabei sind falsch verstandene Multiplikatoreffekte für die Welt kaum weniger schädlich als der Klimawandel…

Auch bei der Frage der Repräsentativität hilft der gesunde Menschenverstand. Dazu ein Beispiel:

In einem 25-köpfigen Gremium sitzen je sechs Vertreter von SP, CVP, FDP und SVP. Der 25. sei ein Parteiloser, und dieser möchte für sein Anliegen die Mehrheit gewinnen. Um abzuwägen wie die Erfolgschancen sind, beschliesst er, acht Mitglieder des Gremiums anzufragen, was sie von seinem Vorschlag halten. Eine repräsentative Auswahl würde bedeuten, dass er je zwei Vertreter jeder Partei befragt und das Ergebnis für die Hochrechnung einfach mit drei multipliziert. Weil er aber weiss, dass die Fraktionen der SP und der SVP jeweils mit einer Stimme sprechen, so fragt er nur einen SP- und einen SVP-Vertreter, dafür je drei Vertreter der weniger homogenen CVP und FDP. Natürlich wird der Parteilose die Antworten nicht alle gleich gewichten. Die Antwort der befragten SP- und SVP-Mitglieder multipliziert er mit sechs, die Antworten der CVP- und FDP-Mitglieder dagegen nur mit zwei. Auf diese Weise bekommt er ein verlässlicheres Resultat als mit einer repräsentativen Stichprobe.


Genauso geht auch der Statistiker vor. Personen aus einer homogenen Gruppe sind in einer guten Stichprobe unterrepräsentiert, Personen aus eine heterogenen Gruppe dagegen überrepräsentiert. Bei der Aggregation der Ergebnisse wird der fehlenden Repräsentativität der Stichprobe natürlich Rechnung getragen, indem man die Antworten mit dem Kehrwert der Wahrscheinlichkeit, dass sie in die Stichprobe aufgenommen worden sind, multipliziert, d. h. Antworten von unterrepräsentierten Bevölkerungsgruppen werden übergewichtet und vice versa. Möchte ein Statistiker etwas über das Einkommen der Bevölkerung erfahren, wird er Lehrer in seiner Stichprobe unterrepräsentieren, da die staatlich besoldeten Lehrer ein viel homogeneres Einkommen aufweisen als beispielsweise Anwälte. Eine solche Methode führt zu effizienteren Prognosen als eine repräsentative Stichprobe.

Auch wenn die Rücklaufquoten sich nach Gruppen unterscheiden oder wenn gewisse Gruppen erfahrungsgemäss unwahre Antworten machen, sollte das bei einer Hochrechnung durch eine Anpassung der Gewichte berücksichtigt werden. Wenn ein französisches Meinungsforschungsinstitut Respondenten, die den rechten Le Pen wählen, übermässig gewichtet, gewinnt die Umfrage an Genauigkeit. Das hat nichts mit Manipulation zu tun, wie es Rudolf Balmer unlängst im Bund und in der BaZ behauptet hat, sondern vielmehr mit seriöser Meinungsforschung jenseits einer naiven Repräsentativität.

03 September 2006

kapiert!?

kapiert ist mein neues Notizheft mit Ideen, die ich irgendwo aufgeschnappt habe und eigentlich nicht wieder vergessen möchte. Ausführlichere Kommentare zum aktuellen Geschehen werde ich (so die Zeit es mir erlaubt) weiterhin hier abgeben.

24 Juli 2006

Naive Studenten – oder naive Journalisten?

Alle Jahre wieder liest man in der Zeitung oder im Internet, eine gesamteuropäische Umfrage unter Studienabgängern hätte ergeben, diese würden am liebsten bei Grossunternehmen arbeiten. Unternehmen mit illusteren Namen wie Nestlé, Nokia, Novartis.

Bisweilen wird kurz darüber spekuliert, warum grosse Firmen attraktiver seien als kleine. Sind’s die höhern Löhne? Die besseren Karrieremöglichkeiten? Oder prahlt sich’s damit besser, wenn man bei einer bekannten grossen Firma arbeitet? Am Ende der Lektüre mag man für sich denken, die Studenten seien naiv, karrieregeil oder super-eitel. Haben halt auch noch keine Erfahrungen und kommen dann schon auf den Boden der Realität, wenn sie erst arbeiten müssen.

Da ich berufeshalber auf verlässliche Umfrageresultate angewiesen bin, mache ich bei Umfragen eigentlich immer mit, selbst wenn sie haarsträubend schlecht gemacht sind, was leider bei sehr vielen der Fall ist. Den betreffenden Fragebogen (oder war's ein Vorläufer? Ich bin mir über die Identität nicht ganz im Klaren) wurde mir während des Studiums auch zwei-dreimal zugeschickt. Ich habe mich aber nur einmal bis zum Ende durchgekämpft.

Der Teil, auf den sich die Presseberichte stützen, wird durch eine Frage eingeleitet, die in etwa so lautet: „In welcher der folgenden Firmen würden Sie gerne arbeiten?“ Dann folgt eine Liste mit mindestens 100 Firmen, von denen man natürlich die meisten kennt, aber eben nicht alle. Der Befragte kreuzt sich dann mal durch, bevor er in der nächsten Frage aufgefordert wird, drei Firmen zu wählen, für die er am liebsten arbeiten würde. Danach folgen noch zirka drei Seiten Fragebogen, wo man haargenau angeben muss, aus welchen Gründen man die drei Firmen gewählt hat. Ist dort das Arbeitsklima sehr gut, gut, mittel, schlecht, sehr schlecht; ist die interne Weiterbildung sehr gut, gut, mittel,…; werden hohe Löhne gezahlt? ist die Arbeit abwechslungsreich? wird auf interne Anregungen eingegangen? sind die Arbeitsplätze ergonomisch ausgestaltet? etc. etc. beinahe ohne Ende.

Gewissenhaft könnte das wohl nur beantworten, wer sein halbes Leben in der Firma verbracht hätte. Es sind aber drei Firmen! Bestenfalls hat man in der einen oder anderen ein Praktikum gemacht (aber vielleicht möchte man sie gerade darum nicht in die engere Auswahl nehmen). Vielleicht hat ein Freund erzählt, wie es sich in der Firma arbeitet. Möglicherweise hat man auch bloss an einem Kontaktgespräch teilgenommen. Selbst der Gewissenhafteste wird hier die Umfrage abbrechen. Oder er kreuzt sich noch etwas wirr durch die Fragen, weil ein Wettbewerbspreis winkt und er sich denkt, er sei wohl der einzige, der bis zum Schluss durchhält.

Wie bei vielen Studien liegt das Hauptproblem in der Interpretation. Es ist ganz klar, dass bekannte Firmen – gerade wenn es sich um Markennamen handelt – in einer solchen Umfrage besser abschneiden als mittelgrosse oder gar kleine Unternehmen. Wer kennt (und wählt) schon felco, wenn er nicht gerade Hobby-Gärtner ist? Was sich aus den Resultaten bestenfalls herauslesen lässt, ist, ob Daimler-Chrysler attraktiver ist als BMW, UBS beliebter als CS, Novartis gefragter als Roche.

Wollte man wirklich eine Aussage über die Idealgrösse von Arbeitgebern aus Studentensicht machen, müsste man direkt fragen, z.B. „Wie viele Personen sollte das Unternehmen, in dem Sie künftig arbeiten möchten, beschäftigen?“ Antworten: bis 100, 100-1000, mehr als 1000, egal. Ich wette, „egal“ würde gewinnen.

26 Januar 2006

Quo vadis, FDP?

Was die FDP derzeit bietet, ist wahrlich ein Trauerspiel. Offenbar versucht sich die Partei krampfhaft von den anderen bürgerlichen Parteien abzugrenzen. Erst hintertreibt FDP-Couchepin den Versuch von CVP-Deiss, mit den USA ein Freihandelsabkommen abzuschliessen, und will anstelle dessen mit Europa über den Freihandel der Agrargüter verhandeln, obwohl offensichtlich ist, dass ein solches Ansinnen nicht den Hauch einer Chance hat: Warum sollten die Bauern für Freihandel mit der EU sein, wenn sie Freihandel mit den USA bekämpfen? Und warum sollte sich die Wirtschaft für ein solches Abkommen einsetzen, wenn für Industriegüter mit der EU bereits Freihandel herrscht? Bei ungefähr gleich grossem inländischem Widerstand gibt es doch bei einem Abkommen mit den USA für die Schweiz viel mehr zu gewinnen! Offensichtlich sabotiert die «liberale» FDP den Freihandel. Das darf doch nicht wahr sein.

Als nächsten Coup haben die FDP-Bundesräte nun durchgesetzt, dass die Swisscom via «Volksaktie» privatisiert werden soll, d.h. Kleinaktionäre sollen die Aktie zu einem Vorzugspreis beziehen können. Dabei liess sich der Bundesrat von der von SVP-Blocher in die Öffentlichkeit getragenen, offenbar auf Couchepin zurückgehenden Idee, die Hälfte der Aktien gratis abzugeben, inspirieren, ohne sie aber konsequent weiterzuverfolgen, was zu diesem wenig durchdachten Vorschlag geführt hat:
  • Am Effizientesten dürfte es sein, die Aktien zum bestmöglichen Preis zu verkaufen und den Erlös zum Schuldenabbau (oder meinetwegen für Steuersenkungen) zu verwenden. Damit sollten diejenigen Investoren die Papiere zugeteilt bekommen, denen die Firma am meisten Wert ist. Das dürften solche sein, die eine klare, erfolgversprechende Strategie mit dem Unternehmen verfolgen, Verantwortung zu übernehmen bereit sind und damit auch den Managern auf die Finger schauen.

  • Die Gratisabgabe ans Volk wäre wohl die gerechteste Lösung: Jedermann hat bisher aufgrund der Monopolpreise der Swisscom zu viel bezahlt, somit bekommt auch jeder wieder einen Teil dessen zurückbezahlt. Zudem würde die offenbar heikle Frage, ob die Swisscom in ausländische Hände fallen darf, demokratisch beantwortet: Sind die Patrioten in der Mehrheit, bleibt sie in Schweizer Hand. Allerdings sind solche breit gestreuten Aktien alles andere als effizient. Unternehmen mit unzähligen Kleinaktionären werden wegen mangelhafter Corporate Governance oft schlecht geführt. Niemand setzt sich für die Aktionäre ein, da niemand wirklich stark profitieren kann.

  • Der Vorschlag des Bundesrates, der von der FDP sogleich begrüsst wurde, übernimmt nun von beiden Varianten nur die Nachteile: Kleinaktionäre mit einem Vorzugspreis besserzustellen ist nicht effizient, da die Aktien nicht denjenigen zugeteilt werden, die die beste Strategie verfolgen; zudem wird der Streubesitz gefördert. Der Plan ist aber auch nicht gerecht: Nur Leute mit dem nötigen Kleingeld für solche Investitionen werden berücksichtigt, damit fallen die Argumente, die für die Gratisabgabe sprechen, dahin. Dies ist nun wirklich die schlechteste Lösung.

25 Januar 2006

Mein grün-liberaler Standpunkt

Heute war in den Zeitungen zu lesen, im Kanton St. Gallen hätten die grünliberalen Kräfte beschlossen, sich von den Grünen zu trennen und eine eigene Partei zu gründen. Sie folgen damit dem Zürcher Beispiel. Im Kanton Bern dagegen, wo es drei Grüne Parteien gibt, wobei die Freie Liste eine Abspaltung von FDP und SVP war, haben sich die Grüne Freie Liste und das Grüne Bündnis in letzter Zeit angenähert und treten bei den kommenden Wahlen auf derselben Liste auf. Nur in der Stadt Bern hat der Wähler noch eine Auswahl.
Ich will hier nicht der Frage nachgehen, warum die ökologische Bewegung in der Schweiz eine vornehmlich linke Angelegenheit ist. Zwingend ist dies sicherlich nicht. Die grünliberalen Bewegungen in Zürich und St. Gallen verfolge ich jedenfalls mit Interesse, würde ich meine persönliche politische Orientierung doch auch als grün-liberal bezeichnen. Allerdings dürften sich meine Auffassungen, was ökologisch ist, doch erheblich von denjenigen selbst gemässigter Grüner unterscheiden.
Entgegen meiner Gewohnheit, meine Meinung mittels Argumenten zu begründen, führe ich nachfolgend bloss knapp meine aktuelle Einstellung zu verschiedenen grünen Postulaten auf.
  • Technologien: Ich habe a priori keine Bedenken gegenüber der Anwendung neuer Technologien wie Nano- oder Biotechnologie etc. Die grüne Gentechnik sehe ich als Chance, den Einsatz von Pestiziden in der Landwirtschaft zu verringern. Die verbreiteten Ängste sind in meinen Augen irrational.


  • Energie: Ich bin für die Nutzung der Kernenergie wie auch für den gemässigten weiteren Ausbau der Wasserkraftnutzung. Staatliche Subventionierung einzelner Energieträger ist zu unterlassen. Insbesondere bin ich aus Gründen des Landschaftsschutzes gegen die Errichtung grosser Windparks in der Schweiz.


  • Verkehr allgemein: Mobilitätsförderung kann nie ökologisch sein, der Staat hat sich daher aus der Subventionierung einzelner Verkehrsmittel grundsätzlich herauszuhalten. Die Subventionierung des öffentlichen Verkehrs muss abgebaut werden. Mobilitätskosten (Arbeitsweg) sollten nicht mehr von der Steuer abziehbar sein.


  • Flugverkehr: Der Staat soll sich jeglicher direkter oder indirekter Unterstützung (z.B. Tax-Free-Shops, Steuerbefreiung des Kerosins, Rettung maroder Fluggesellschaften…) enthalten.


  • Motorisierter Individualverkehr: Die variablen Steuern müssen massiv steigen (z.B. durch höhere Mineralölsteuern oder Einführung von Road-Pricing), wogegen die fixen Steuern (z.B. Motorfahrzeugsteuern) gar sinken könnten. Die Mittel müssen nicht nur die Finanzierung der Strasseninfrastruktur ermöglichen, sondern ebenfalls die externen Kosten (Lärm, Abgase, etc.) internalisieren. Die Bewirtschaftung von Parkplätzen in den Städten kann privatisiert werden, indem die Parkflächen verkauft werden.


  • Landschaftsschutz: Land ist eine endliche, nicht vermehrbare Ressource. Eingriffe ins Landschaftsbild können oft kaum mehr rückgängig gemacht werden. Entsprechend haushälterisch muss mit dem Boden umgegangen werden. Ich bin daher staatlichen Infrastrukturprojekten (z.B. neue Strassen) sehr kritisch eingestellt. Solange die Infrastruktur zum Nulltarif zur Verfügung steht, erstaunt es nicht, dass sie stets übernutzt wird. Zur Verhinderung der Zersiedelung sind verschiedene Massnahmen nötig; insbesondere müssen die Erschliessungsgebühren (Zugang, Versorgung, Entsorgung) den Privaten voll belastet werden. Anstelle der traditionellen Raumplanung drängen sich handelbare Nutzungszertifikate auf. Die steuerliche Vorzugsbehandlung von Wohneigentum ist sodann klar abzulehnen.


  • Naturparks: Ich befürworte die Errichtung neuer Naturparks. Einige dünn besiedelte Gebiete können durchaus vollständig der Natur überlassen werden, was zudem die Staatsausgaben senkt, da nicht bis in den letzten Graben superteuere Infrastruktur bereitgestellt werden muss. Wer in der Wildnis leben will, muss halt auf gewisse Annehmlichkeiten des urbanen Lebens verzichten – was ja auch reizvoll sein kann.


  • Klimaschutz: Obwohl ich hinsichtlich des Klimawandels gewisse Bedenken habe in bezug auf Ursache und Folgen, scheint mir die Einführung einer C02-Steuer wünschenswert, wobei die Steuerbelastung insgesamt nicht steigen darf. Ein effizienterer Ressourceneinsatz ist grundsätzlich wünschenswert, unabhängig vom Klimawandel. In hartnäckigen Rezessionen könnte zudem die Wirtschaft durch eine Steuerreduktion stimuliert werden.


  • Globalisierung und Freihandel: Freihandel ist unbedingt erstrebenswert. Negative Folgen für die Umwelt sind durch die allgemeine Verteuerung der Mobilität zu reduzieren, nicht aber durch Zölle und andere protektionistische Massnahmen.

20 November 2005

Wohltaten des Sports

Im Zusammenhang mit dem WM-Qualifikationsspiel zwischen der Schweiz und der Türkei ist es zu zahlreichen Anfeindungen zwischen Schweizern und Türken auf und neben dem Spielfeld gekommen. Auch in Blogs vornehmlich in der Schweiz und Deutschland wurde dem Thema grosse Bedeutung beigemessen.

Wer immer an der Eskalation schuld ist – eins dürfte klar sein: Die Phrase von der friedensfördernden Wirkung des Sports hat sich – ausgerechnet im UNO-Jahr des Sports und der Sporterziehung – einmal mehr als Wunschdenken erwiesen. Was wohl der Sondergesandte für Sport und Entwicklung dazu meint?

Es sollte endlich anerkannt werden, dass Sport Teil einer gewinnorientierten Freizeitindustrie ist, nicht mehr und nicht weniger. Dies ist keineswegs negativ zu werten, nur müssten auch die politischen Konsequenzen gezogen werden: Subventionen irgendwelcher Art zugunsten von Sportveranstaltungen sind nicht angebracht. So ist überhaupt nicht einzusehen, warum die Öffentliche Hand die hochgradig kommerziellen Veranstaltung Euro08 mit Hunderten von Millionen Franken subventionieren sollte (vgl. dazu die Diskussion auf freilich).

Ist Sport überhaupt eine Staatsaufgabe ? Braucht es eine eidgenössische Sportpolitik? Ein Bundesamt für Sport? Eine eidg. Sportkommission? Eine Entwicklungshilfe im Bereich des Sports? einen Sondergesandten ... ? Nicht nur in Zeiten knapper Kassen sind solche Nettigkeiten ernsthaft zu hinterfragen.

11 November 2005

Die rosarote Brille der Politiker

Meine lokale Gratiszeitung hat 22 mehr oder weniger bekannte Leute aus der Region nach ihrer Prognose für das Fussballspiel Schweiz – Türkei vom 12. November befragt. Wie es sich für eine solche Umfrage geziemt, fällt die Durchschnittsprognose mit 1.64 : 0.95 klar zugunsten der Schweizer aus.

Aufgefallen ist mir, dass das eindeutige Ergebnis nicht zuletzt den sieben befragten Lokalpolitikern zu verdanken ist: Diese prognostizieren durchs Band weg einen Schweizer Sieg (mit durchschnittlichem Torverhältnis 2 : 0.86). Die sechs Personen aus dem Sport zeichnen dagegen ein differenzierteres Bild (1.33 : 1), nur die Hälfte geht von einem Sieg aus.

Der Unterschied ist symptomatisch. Politiker haben grundsätzlich Mühe, den Leuten klaren Wein einzuschenken. Der Grund liegt in der banalen Erkenntnis, dass der Zorn der Angesprochenen sich nicht selten gegen den Überbringer schlechter Nachrichten richtet.

Wie gern glaubte jeder, dass das Wirtschaftswachstum in Zukunft alle Finanzierungsprobleme des Sozialstaats lösen wird? Politiker, die schon jetzt darüber diskutieren wollen, welche Leistungen die AHV in Zukunft noch wird ausrichten können, mindern ihre Chancen auf eine Wiederwahl. Dabei wäre eine Prognose einfacher zu machen als im Fall eines Fussballspiels.

Politiker zeichnen nur dann realistische Szenarien, wenn sie nicht mehr von der Wählergunst abhängen, wie beispielsweise BR Couchepin. Dabei wäre es im Sinne der individuellen Planung der Altersvorsorge wichtig, dass längerfristig unumgängliche Massnahmen frühzeitig angekündigt würden. Leider ziehen es viele Wähler vor, wenn ihnen Medien und Politiker eine rosarote Brille aufsetzen. Solche Wähler tragen damit eine Mitschuld, wenn Politiker unerfüllbare Versprechen machen.